29. Geschichte

Wie Clauert einen Schneider betrog

Zu Prenzlau wohnte ein Schneider, der sich bedünken ließ, daß ihm niemand zu klug wäre, und besonders hatte er Gemeinschaft mit Clauert, wenn dieser dort war; er vexierte (plagen, necken, hänseln) ihn auch bisweilen mit Worten. Diesem gedachte Clauert einen Beutepfennig zu verehren (Im Sinne von: einen Denkzettel verpassen), damit er seiner gedenken möge.

Eines Tages ging er zu diesem Schneider und fragte ihn, ob er ihm aus drei alten Säcken ein Fastnachtkleid machen könne. Der Schneider glaubte, Clauert  würde solch ein Kleid zu seinen Abenteuern gebrauchen wollen, und sagte: „Ja, wenn du mir die drei Säcke bringst, will ich dir´s  wohl machen.“ Clauert vergaß sein Vorhaben nicht, ging hin ins Spital zu den alten Beginen (Beginen waren fromme Frauen, die ohne Gelübte und Ordnungszugehörigkeit seit dem 13. Jh. In vielen Städten meist in klosterartigen Gemeinschaften zusammen lebten und sich seit dem späten Mittelalter zunehmend aus unteren sozialen Schichten rekrutierten) und zeigte denselben an, wie einer vom Adel ein ganzes schwarzes Tuch vermacht hätte, um drei von ihnen – und zwar die ältesten, die unter ihnen wären – damit zu kleiden, ihnen Mäntel und Röcke daraus zu machen. Die Beginen waren froh, zankten sich aber eine gute Weile untereinander, welche drei unter ihnen gekleidet werden sollten. Clauert sagte: „ Ihr lieben Mütterlein, es bedarf keines Zanks, sondern welche drei die ältesten sind, die folgen mir nach, ich will sie hin zu dem Schneider führen, der die Kleider machen soll; denn diese können am wenigsten erwerben.“

Die Beginen waren so alt und wohlbetagt, daß sie kaum gehen konnten, dennoch folgten sie Clauert im tiefen Kot bis zu des Schneiders Haus. Dort führte sie Clauert hinein, hieß sie hinter der Haustür niedersitzen und ging zum Schneider in die Stube, der eben auf der Werkstatt saß und arbeitete. Zu ihm sagte Clauert: „Willst du mir nun das Fastnachtkleid noch machen, wie du mir zugesagt hast?“ Der Schneider antwortete: „ Hab ich´s doch zuvor gesagt, du sollst die Säcke herbringen, ich will dir´s machen.“ Clauert sprach: „Ich habe sie hinter der Tür im Hause niedergelegt, da wirst du sie wohl finden.“ Der Schneider hatte viel Arbeit, weshalb er die Säcke nicht beschaute, sondern dachte, die Säcke werden so schlecht ja nicht sein, daß er aus dreien nicht ein solches Kleid machen könnte.

Darüber ging Clauert in seine Herberge und zu den alten Weibern sagte er: „Ihr müßt hier ein wenig warten, bis der Meister fertig wird, dann will er euch das Maß nehmen.“ Diese mochten die Zeit wohl warten, zumal sie vom Gehen gar müde geworden waren.  Als nun der Schneider nach einer guten Weile aus seiner Stube kam, fand er die drei alten Beginen hinter der Haustür sitzen, er erschrak und erfragte, was ihr Begehren sei. Die Weiber antworteten ihm: „Wir warten hier, daß ihr uns die Röcke und Mäntel sollet messen, die der Edelmann für uns bestellte, der auch das Tuch überantwortet hat.“ Der Schneider entschuldigte sich, daß er kein Tuch empfangen habe und noch viel weniger von ihren Röcken wüßte. Die Weiber sagten: „Ihr habt´s doch empfangen, wir sind ja von dem Manne, der vorhin bei euch in der Stube gewesen, hergeführt worden, damit ihr uns kleiden sollt.“

„O, liebe Mütterlein“, antwortete der Schneider, „der Mann ist ein arger Schalk, ihr seid von ihm betrogen worden“, und gab den Weibern jedem drei Pfennige, damit er sie los würde, schickte auch bald zu Clauert in seine Herberge, Clauert solle zu ihm kommen, er wolle ihm das Maß zum Kleide nehmen. Clauert sagte: „O, nein, zu solchem Kleide braucht man kein Maß, es hängt nicht viel davon ab, wenn es auch nicht gar so eigen gemacht wird.“

Moral

Das wahre Sprichwort ist und bleibt: Wer sich an alten Kesseln reibt, der kann sich ganz leicht Ruß einfangen. So ist´s dem Schneider hier ergangen, der allen Leuten war zu klug und diesen Spott nun billig trug.