Naturbelassene Wiesen sind Gold wert

Naturbelassene Wiesen sind Gold wert

Ja es ist aufgefallen, an einigen Stellen wurden die öffentlichen Grünflächen in diesem Jahr vernachlässigt. Und dies mit voller Absicht. Stattdessen wurden Schilder aufgestellt, die nicht als Entschuldigung verstanden werden sollen. So kann man die wilden Bereiche z.B. im Bereich der Sportplätze oder des Kulturhauses, am Bahnhof oder der Grünfläche an der Kita „Sonnenblume“ sowie in den Ortsteilen an zentralen Stellen finden.

In aller Munde ist das Insektensterben, Vögel sind in Menge und Artenvielfalt auch rar geworden. Viele haben das in den letzten Jahren an bestimmten Blüten im Garten aber auch am winterlichen Vogelhaus bemerkt. Aber ist auch allen klar, dass unser Handeln in großem Maße dazu beiträgt, dass die Artenvielfalt in besiedelten und genutzten Bereichen abnimmt? Wenn jede Ecke geputzt, jeder Laubhaufen beräumt, jeder abgeblühte Stängel abgeschnitten und Wildnis nicht zugelassen wird, haben die vielen Insektenarten keine Chance zu überleben. Zwischen Unkraut und Vogel besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Greifen wir als Mensch in die Nahrungsketten ein, indem überall gemäht, gestutzt oder gespritzt wird, nehmen wir Insekten die Lebensgrundlage. Nachfolgend haben die gefiederten Nachbarn keine Nahrung und die Jungen verhungern. Eine fortlaufend gemähte Rasenfläche mag den eigenen Ordnungssinn befriedigen, ökologisch gesehen stellen solche Flächen artenarme Biotope dar.

Man ist geneigt, die Schuld immer bei anderen Akteuren zu suchen. Mal sind es die Landwirte, dann die Waldbesitzer oder spätestens der Klimawandel taugt als Schuldiger am Dilemma. Aber das Artensterben endet nicht etwa am Gartenzaun, am Feldrand oder an der Straße und jeder von uns kann einen kleinen Beitrag leisten. Man muss nur den Blickwinkel ändern und an kleinen Stellschrauben drehen.

Die Stadtverwaltung hat in diesem Jahr erneut versucht, an einigen Stellen im Stadtgebiet Wiesenflächen, die nicht unmittelbar einer Nutzung unterliegen, aus dem strengen Mahdregime herauszunehmen, um krautigen Pflanzen, die sich vor Ort etabliert haben, die Blüte zu ermöglichen. Dazu werden diese Flächen nur 1-2 mal gemäht. Wer genau hinsieht, kann die 6-beinigen Geschöpfe in den Blüten von Fingerkräutern, Rot- oder Hornklee, Wegwarte, Platterbse, Johanniskraut oder Flockenblumen entdecken. Leinkraut und Lichtnelke haben außergewöhnliche Blüten, die von anderen Arten besucht werden. Auffällig sind sicherlich Wilde Möhre, Natternkopf, Ochsenzunge, Steinklee oder Luzerne, die Pollen und Nektar für Wildbienen und Schmetterlinge bieten und auch extreme Standorte besiedeln können. Um die kleinen, unscheinbaren Blüten von Sandstrohblume, Hauhechel, Sedum, Kleinköpfigem Pippau, Echtem Labkraut oder Reiherschnabel zu entdecken, muss man da schon genauer hinsehen. Die Grasnelke, eine grasartige, unscheinbare Rosette ausbildend, trägt nur einen Blütenstängel und fällt dem flüchtigen Betrachter kaum auf.

Jede Blühfläche hat je nach standörtlichen Bedingungen seinen eigenen Fingerabdruck, sein eigenes Arteninventar bei Pflanzen und Tieren, seinen eigenen Jahresverlauf. Auch hier versucht der Mensch oft mit großem Aufwand, Flächen umzubrechen und einzusäen, über Saatgut, Mahd und Selektion der Natur den gewünschten Stempel aufzudrücken. Meist ist der Erfolg nur von kurzer Dauer und sehr kostenintensiv. Stattdessen sollte man die Pflanzen, die sich an Ort und Stelle etabliert haben, fördern.

Jede Pflanze hat sein Blühfenster. Während die einen schon abgeblüht sind und Samen ausbilden, suchen sich andere Arten die Lücken und haben für kurze Zeit ihre kleine Bühne. So wechselt der Flor im Laufe des Jahres. Nicht alle Insekten brauchen einen voll gedeckten Tisch. Zwischen zahlreichen Insekten und deren besuchten Pflanzen besteht ein inniges Verhältnis, das durch keine andere Blühpflanze ersetzt werden kann.

Durchaus stechen im August die hochstehenden, braunen Samenstände des Sauerampfers ins Auge – für die einen Stein des Anstoßes und das Zeichen für Unordnung und Untätigkeit, für die anderen ist es die Futterquelle. So finden sich hier z.B. Schwärme von Stieglitze oder Heckenbraunelle, die die Samen flächendeckend abernten. Und auch Arten wie die Brennnessel, die nicht durch bunte Blüten auffallen, sind für die Raupen von Tagpfauenauge, Kleinem Fuchs, Admiral und Landkärtchen wertvolle Futtergrundlage und in vielen Gärten heute Mangelware.

Es lohnt sich, die ungemähten Flächen mit ihrer Unordnung als Pool für viele Insekten und Vögel zu begreifen und einfach mal genauer hinzuschauen.